No Cookie, no Chance? – Wie sauberes Arbeiten im Online-Marketing immer schwieriger wird…

Schon seit einigen Jahren ist es unsinnig, mit Visitor-Zahlen zu arbeiten, auch wenn Chefs und Kunden darum betteln. Warum? Valide messbar sind diese einfach nicht mehr und waren diese, wenn man es genau nimmt, nie. Zu unsicher ist der Cookie, der zur Identifikation der Nutzer genutzt wird. Die Details erspare ich Ihnen, es ist eine lange Geschichte voller politischer Irrtümer. Versucht man, mit verschiedenen Methoden doch noch nahe an die tatsächliche Zahl zu kommen und auch andere Zusammenhänge sauberer abzubilden, so ist dies alles mehr oder weniger bruchstückhaft und funktioniert nicht immer und unter allen Bedingungen. Um das ganz einfach zu begreifen, muss man nur die Browser-Technologie-Tabelle in seinem Analytics Tool ansehen und schwupp… es gibt praktisch nur noch neue Nutzer. Das kann so nicht sein … nicht bei Ihnen und nicht bei mir.

Keine neuen Nutzer im Safari
Keine neuen Nutzer im Safari

Ich saß einige Jahre in der technischen Kommission der IVW. Es ging damals um die „Online-Auflagen“ von werbefinanzierten Medienobjekten. Eine unserer wichtigsten Prämissen war, dass die (Erhebungs-)Technik bei allen Websites und Browsern gleich funktionieren sollte. Für die Grund-Installationen gleich welchen Web-Analytics-Tools trifft das schon lange nicht mehr zu. Und noch gravierender: Performance Kampagnen laufen völlig schräg, weil Basis-Annahmen nicht treffend sind. Und wie heißt es so schön – „shit in, shit out“. Man kann noch so schön mit den Daten herumwerkeln – wenn die Erhebung nicht mehr richtig funktioniert, taugt die schönste Optimierung nicht mehr viel – oder wird da nur noch optimiert, was funktioniert?

Seit einigen Monaten berichten die Nerds im Erhebungsbereich verstärkt in Vorträgen oder ihren Blogs darüber. Ob es nun Markus Stade (https://www.marcusstade.de), Alban Gérôme (https://www.slideshare.net/AlbanGrme/presentations) oder – noch etwas ausgeprägter – Markus Baersch (https://www.markus-baersch.de/blog/) ist, ITP ist für sie ein wichtiges Thema (BTW: Jungs, ich darf Euch doch Nerds nennen?!). Noch nichts von ITP gehört? Ausgeschrieben heißt dies Intelligent Tracking Prevention, gibt es seit 2017 in der Browser Engine Webkit und liegt mittlerweile in Version 2.3 vor. Eingebaut ist das in den Safari – die Apple-Welt. Genau das stört besonders das Performance Marketing. Cross-Device Tracking ist schon seit 2.2 nicht mehr möglich und die Verfallszeit von persistenten Cookies wird clientseitig auf 24 Stunden begrenzt. Markus Baersch meinte unlängst, dass die Browser-Hersteller unter dem Einfluss der DSVGO noch dafür sorgen werden, dass das Web kaputtgeht. Meinen Studierenden an der HMKW ist übrigens auch schon aufgefallen, dass Warenkörbe nicht mehr so funktionieren wie früher: Nach einem Tag sind die Produkte einfach daraus verschwunden (die Studierenden sitzen übrigens fast geschlossen mit Apple-Hardware vor mir). Die Bekleidungs-Plattform Asos hat aus der Not eine Tugend gemacht und lässt Produkte grundsätzlich nur noch eine Stunde im Warenkorb. So wird der Käufer unter Druck gesetzt. Natürlich könnte man Kunden weiter unter Druck setzen und zum Login zwingen, damit Warenkörbe oder Merklisten Bestand haben. Aber das ist nur der technische Teil. Insgesamt ist hinreichend bekannt, dass ein erheblicher Teil von Käufern einen Check-Out ohne Registrierung bevorzugt.

Für Analytics – zumindest die Retrograde – könnte man sich damit herausreden, dass sich Safari Nutzer genauso verhalten wie der ganze Rest und die Zahlen entsprechend hochrechnen. Leider gibt es für Firefox die „Enhanced Tracking Protection“ (ETP). Third Party Cookies funktionieren per Default nicht und wenn die Nutzer den recht versteckten Einstellungsknopf finden, ist noch mehr weg. Das ist nicht ganz so dramatisch wie beim Safari – könnte es aber werden. Chrome dagegen ist von Google – die verdienen mit Werbung Geld… da funktioniert noch viel mehr.

Third-Party-Cookies funktionieren auch im Firefox nicht und bald noch viel weniger!
„Enhanced Tracking Protection“ (ETP)

Das Rennen wird keinen Gewinner haben!

Was ist die Folge? Es wurde und wird nach Wegen gesucht, dem Dilemma zu entgehen. Ein Agentur-Mitarbeiter sagte mir unlängst, dass die Industrie schon einen Weg finden werde, das Targeting auch in Zukunft zu ermöglichen. Schon vor einigen Jahren wurde auf einer Veranstaltung in Hamburg ein Verfahren zur Identifikation von Accounts über Environmentals vorgestellt, das ziemlich gut funktioniert. Jetzt wird dies Fingerprinting genannt. Der Cookie war schließlich von Anfang an in Verruf und konnte schon immer von Nutzern manipuliert werden. Das war in den 90ern schon im Netscape Browser auf dem Mac so. Schreibschutz auf das Cookie-Verzeichnis und vorbei war es mit der Wiedererkennbarkeit… Mit Hilfe der über das HTTP übertragbaren Environmentals ist dann immerhin ein Rechner Account mit einiger Sicherheit wiedererkennbar – Cross Device ist jedoch schon eine gewaltige Datenschwubbelei und auch nur bruchstückhaft möglich – Werbern ist dennoch ein wenig geholfen. Zudem ist das Fingerprinting in Firefox ausgeschlossen. Es ist ein Puzzle. Da werden Daten in den Local Storage gesetzt oder wenn mit Serverseitigen Cookies gearbeitet wird. Eigentlich ist alles doof, weil es jeweils und entsprechend der vom Nutzer verwandten Clients unterschiedlich (gut) funktioniert. Die eingangs gestellt Forderung danach, dass die Messung bei allen Clients gleich funktionieren soll ist unhaltbar.

Noch viel schlimmer ist die Tatsache, dass Nutzer häufig mit AdBlockern arbeiten. Da gibt es neben dem in Deutschland weit verbreiteten Modell auch noch Brave. Es ist einfach nur ein Drama, bei dem kein Ende absehbar ist. Alban vergleicht das gerne mit einer Szene aus WarGames (ja, der 80er-Jahre Film). TicTacToe kann einfach nicht gewonnen werden – das Spiel wird nicht gewonnen, nur wenn es nicht gespielt wird. Was noch wirklich recht gut funktioniert ist die ID der Mobile Devices. Allerdings ist schon jetzt absehbar, dass diese – sobald sie übermäßig von der Werbeindustrie genutzt werden – von Herstellern gesperrt werden. Allen voran wird hier Apple agieren, das schon mit ITP 2.3 valides Arbeiten mit Online-Werbung und Analytics verhindert. Der Blick auf die Zahlen erfordert noch mehr kritische Distanz als bisher. Das betrifft besonders Attribuierungen und andere komplexere Verfahren.