Irgendwas mit Daten
KI, Marken, Analytics, Mediaplanung, DAM, PIM etc.
Ich mache etwas mit Daten
KI, Marken, Analytics, Mediaplanung, DAM, PIM etc.
Kennen Sie das Riepl’sche Gesetz? Nein? Es besagt, dass „alte“ Medien nie vollständig durch „neue“ Medien verdrängt werden. Mittlerweile – die Kernaussage ist mehr als 100 Jahre alt – könnte man den Begriff der Verdrängung auch durch Transformation ergänzen. Ein Beispiel: Die gedruckte Zeitung wird nie vollständig auf Ausgabemedien wie Mobiltelefone oder Tablets transformiert. Um es deutlicher zu sagen: Erst wenn ein vollständiges funktionales Äquivalent vorhanden ist, wird dies passieren. Aber darum geht es mir in diesem Beitrag nicht im Kern.
Derzeit kämpfen periodische Druckmedien, Hörfunk und Fernsehen gegen ihren Bedeutungsverlust im Werbemarkt. Klar ist, dass sie nicht vollständig ersetzt werden, aber die bequemen Zeiten der 90er sind längst vorbei. Die Frage ist: Wie können Werbeerlöse für die nicht-digitalen Medien weiterhin generiert werden? Das ist die eine Seite der Medaille.
Auf der anderen Seite stehen große Marken wie Nike, die versuchen, nur unter Einsatz digitaler Medien weiter zu wachsen. Was Unternehmen wie Snocks oder Kapten & Son erreicht haben, beruht ausschließlich auf digitalen Medien. Sie werden zu Recht denken, dass es sich um ein erheblich geringeres Niveau handelt und die Ausgangslage völlig unterschiedlich war. Genau: Die Ausgangslage war unterschiedlich. Allerdings ist der Schweizer Sportartikelhersteller On auch erst 2010 gestartet und macht jetzt mehr als eine Milliarde CHF Umsatz. Ganz ohne klassische Medien arbeiten die Schweizer nicht. Aber worauf will ich hinaus?
Nike hatte langjährige Kunden, hat sich auf digital konzentriert und hat 2019 Amazon verlassen – zumindest was Direktverkäufe an den Internetriesen betrifft. Die Idee, das zu tun, ist durchaus naheliegend: Zwar machen Hersteller recht viel Umsatz mit Amazon, aber die Roherträge sind oft geringer als an anderer Stelle. Individualisiert man also Schuhe und verkauft diese unter Einsatz von Social Media und Sportler-Testimonials über eigene Plattformen, dann ist der Rohertrag pro Bestellung erheblich höher. So weit, so gut.
Amazon ist jedoch die größte Produktsuchmaschine in der westlichen Welt. Dort nicht oder nur eingeschränkt vertreten zu sein, heißt, auf Umsatz zu verzichten. Warum? Kunden, die gezielt nach einer Marke suchen, erreicht Nike wahrscheinlich schon. Aber was ist mit Menschen, die nach einem neuen Jogging-Schuh suchen? Diese potenziellen Käufer landen dann bei On, Asics, New Balance oder Adidas und eben nicht bei Nike. Die Regel ist eigentlich einfach: Auf Amazon kann man Umsatz kaufen, nicht den Anteil des Rohertrags optimieren.
Ich gebe zu, dass dies oft genug in Zwangslagen und in Streit münden kann. Wird der Vertrieb dazu genötigt, gewisse Umsatzziele zu erreichen – gleich ob es nun Vergünstigungen bei Amazon sind, die winken, oder Prämien aus dem eigenen Unternehmen – sind Marketing-Controller in der Zwickmühle. Was soll man tun, wenn Sales die Werbeausgaben auf Amazon in die Höhe treibt und der Rohertrag auf der Strecke bleibt, nur um Umsatzziele zu erreichen? Als Performance-Marketer fragt man beim Vertrieb nicht nach und schaut, ob die Intra-Kanal-Optimierung schon ausgereizt ist. Oft genug vertraut der Vertrieb auf Tools, die naturgemäß mit statistischen Signifikanzen arbeiten. Menschen mit Erfahrung können die Werbe-Euros in der Regel effektiver einsetzen.
Nun sind wir bei der Kanaloptimierung angelangt. Das ist genau das, was den Vorteil der Online-Medien aus Sicht von Performance Marketern ausmacht und zugleich deren Schwachpunkt ist. Performance kann man erst optimieren, wenn potenzielle Käufer in einem Kanal angekommen sind oder man diese bereits in den Fängen eines CRM-Systems hat. Alles, was sich in den Köpfen der potenziellen Käufer davor abspielt, bleibt außen vor.
Sie werden jetzt vielleicht entgegnen, dass Marketing-Mix-Modelling immer stärker eingesetzt wird und genau auf solche Daten setzt. Genau – es wird versucht, die Unzulänglichkeiten des Performance Marketings auszugleichen. Das ist leider alles andere als banal. Insgesamt leidet die Branche hier an einer gravierenden Theorielosigkeit.
Im Performance Marketing wird nicht nach Gründen für menschliches Verhalten gesucht, sondern danach, warum ein Folgeereignis mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erreicht werden kann. Lediglich im Bereich von Testverfahren wird Verhalten stärker begründet, mitunter auch theoriegeleitet. Wie Aufmerksamkeit erreicht werden kann, wird begründet. Es wird jedoch immer noch recht oft empfohlen, eine gewisse visuelle Ausprägung zu nutzen, ohne zu erklären, warum diese die richtige aus psychologischer Sicht ist. Hier besteht deutlicher Nachholbedarf.
Aus meiner Sicht entsteht der Kanal-Fetisch durch eine gewisse Zahlengläubigkeit oder dem Motto „besser schlechte Zahlen als gar keine Zahlen“. Manager können so leicht begründen, warum sie Geld investieren: Der Erfolg – gleich ob gut oder schlecht – ist berechenbar. Hier unterliegt der Zahlengläubige einem gewaltigen Irrtum: Ihm werden Zahlen für den „Top of Funnel“ (ToFu) präsentiert, obwohl es sich bei langlebigen Gütern mit geringer Kauffrequenz im Grunde immer um den „Bottom of Funnel“ (BoFu) handelt. Was oben in den Wolken der folgenden Grafik passiert, bleibt eben wolkig in den Wolken.
Marken entstehen über längere Zeiträume in den Köpfen der Konsumenten. Sicher haben diese irgendwann auch Videos auf YouTube, TikTok oder im Connected TV gesehen oder Anzeigen im durch Performance-Maßnahmen überfüllten Inhaltsraum von Websites und Social Media. Wenn uns nun jemand erzählt, dass diese Kontakte direkt individuell messbare Touchpoints in einer User Journey sind, wie es uns eine große deutsche Mediaagentur glauben machen wollte, liegt er völlig falsch. Es ist Augenwischerei.
Was benötigt wird, ist eine saubere analytische Verknüpfung von Markeneffekten auf aggregierter Ebene mit den individuellen Daten des Performance Marketings. Schauen wir also, mit welchen Werkzeugen man Markeneffekte messen kann:
Wenn man dann noch betrachtet, mit welchen Werten Markeneffekte gemessen werden, sollte klar sein, dass es kein einfacher Weg ist, den man beschreiten muss:
Das ist alles ein wenig unübersichtlich und sieht nicht nach einem integrierten Konzept aus. Als es noch die großen Markt-Media-Studien wie die „Typologie der Wünsche“ gab, konnte man – wenn man langfristig Anzeigenkunde beim Burda Verlag war – regelmäßig einige Werte und deren Veränderungen bekommen. Heute ist die Lage ausgesprochen mager.
Insgesamt würde sowohl dem Performance Marketing als auch der Messung des Brand Layers ein wenig Theorie helfen. Zu häufig wird etwas nur gemessen, weil es messbar ist, ohne eine Begründung dafür zu haben, warum das Verhalten eines Nutzers an dieser Stelle stattfand. Leider lasse ich Sie hier allein mit dieser unübersichtlichen Situation.
Bedenken sollten Sie allerdings: Wenn Sie oben in den Trichter nichts hineinwerfen, wird unten bald nichts mehr ankommen. Die Markeneffekte, die auch Performance-Werbung unsystematisch hinterlässt, werden dafür nicht ausreichen. Ihnen wird es gehen wie Nike, das sich aus den klassischen Medien zurückgezogen hat. Der Umsatz wird bröckeln. Lesen Sie gerne Rolf Dobellis „Die Kunst des klaren Denkens“. Das kostet nicht viel und klärt in unterhaltsamer Weise über Denkfehler auf.