Einsatz von PIMs in betrieblichen Prozessen

Seit vielen Jahren arbeite ich mit PIMs – mit Systemen zum Product Information Management. Man darf dies auch als Produktdatenmanagement bezeichnen. Mein erstes war das von Heiler – lange bevor die breite Masse von PIM redete und es Akeneo gab. Heiler wurde von Informatica gekauft und der Name gewechselt. Es gibt sehr viele Lösungen unterschiedlicher Qualität und mit verschiedenen Schwerpunkten. Auch SAP hat eines (das wenig weiterentwickelte Hybris), bekannt ist auch Pimcore und dann gibt noch 45 weitere im PIM-Verzeichnis. Ganz grundsätzlich im Kern schafft man mit einem PIM einen Single Point of Truth für die Verteilung von Produktstammdaten. Es wird ein Topf geschaffen, in dem alles – wirklich alles – drin und/oder damit verbunden ist. Weitere Silos sind nicht erlaubt. Das heißt jedoch im Gegenzug nicht, dass das PIM für alle enthaltenen Daten das führende System ist oder sein muss. Je nach Unternehmenstyp sind hier gravierende Unterschiede möglich. Beispiel: Ein Hersteller hat völlig andere Anforderungen als ein Händler. Diese Anforderungen lassen sich beliebig ausdifferenzieren je nach Grad der Eigenfertigung, vertikalen Integration etc.

PIM – relevante Klassifikationsstandards einhalten, sonst kann viel schiefgehen

Im Kern gibt es Attribute, die nach meinem Geschmack besonders für Hersteller möglichst kleinteilig granularisiert werden sollten, damit die Wünsche von Datenempfängern und deren Zielsystemen möglichst flexibel adaptierbar sind. Gleichzeitig sollten für die Felder übersichtliche und nicht zu stark ausdifferenzierte Optionslisten entwickelt werden. Bei der Anlage der Optionen sollte zwingend auf die in den jeweiligen Branchen üblichen Klassifikationen geachtet werden. In der Elektrobranche kann das ETIM sein, übergreifend sind es eCl@ss oder proficl@ss bei den parametrischen Verfahren. Wer viel in die USA liefert, sollte sich an UNSPSC orientieren. Textfelder sind grundsätzlich stark herausfordernd und wirken sich in der Regel negativ auf die Datenqualität aus. Textfelder sollten deshalb tatsächlich nur für beschreibende Produkttexte genutzt wenden. Im Notfall darf auch noch für Kommentare, die nicht nach außen dringen sollen, in Textfelder geschrieben werden – sollten diese im Bearbeitungsprozess notwendig sein. Informationen aus solchen Feldern sollten bitte nicht automatisiert in Optionsfelder überführt werden. Das geht unweigerlich schief.

Im PIM Daten sammeln, anreichern und übersetzen

An Text- sowie Optionsfelder mit Textinhalt gliedert sich normalerweise ein Übersetzungsprozess an. Dieser kann manuell, aber auch weitgehend automatisiert bedient werden. Details hierzu beschreibe ich in einem anderen Beitrag. Kommen wir zur entscheidenden Frage: Wie gelangen die Daten ins PIM? Nehmen wir Akeneo als Beispiel-PIM: Zur Erfassung ist das System absolut ungeeignet. Es ist eine schier unendlich lange Seite pro Produkt. Auch Excel ist keine wirkliche Lösung – auch wenn es ein wenig effizienter wäre. Schon während meines Studiums lernte ich, dass Datenerfassung mit Excel nicht funktioniert und es zu fehleranfällig sei. Erfassungsmasken in Access sind tatsächlich besser geeignet. Zudem sollten Parent-/Child-Strukturen abgebildet werden, damit die Bearbeiter bei der Datenerfassung nicht unnötig gequält werden. Dies wirkt sich dies positiv auf die Datenqualität aus. Geht es an dieser Stelle um den Fall eines Herstellers, bei dem der Produkt-Entwickler oder -Manager die Daten in einem Product Development Management-System (PDM) oder einem Product Lifecycle Management-System (PLM) erfassen und verwalten, dann gelangen die Daten über eine Schnittstelle zum PIM (beispielsweise API oder CSV).

Verbindung zum DAM – Digital Asset Management

Normalerweise existiert in diesem Fall noch eine Verbindung zum ERP, um später eine Verbindung zu morphologischen Daten sowie Preisen und Flussdaten herstellen zu können. Meist gibt es noch ein Media Asset Management (MAM), das in Verbindung zum PIM steht. Im diesem werden Bild-, Audio- und Videodaten verwaltet und manipuliert (z.B. auf die richtige Ausgabegröße gebracht). Zusätzlich können in diesen Systemen auch Dokumente verwaltet werden – beispielsweise Bedienungsanleitungen, Zertifikate oder Produktdatenblätter. Deshalb bezeichnet man diese Systeme neuerdings als Digital Asset Management (DAM). Manche PIMs haben direkt ein solches System integriert. Ob dies ausreicht oder ein spezielles Produkt benötigt wird, hängt von den jeweiligen Anforderungen ab. Spezial-Software aus diesem Bereich ist beispielsweise Cumulus von Canto, Celum oder Tessa von Eikona. Details hierzu bespreche ich in einem anderen Beitrag.

Im PIM werden also tatsächlich alle einem Produkt zuzurechnenden Stammdaten verwaltet – und dazu gehören auch Fotos etc. Wenn man nun alles zusammen in einem Topf hat, sollte die QA greifen. Man sollte prüfen, ob tatsächlich alle Daten vorhanden und aktuell sind. Fehlende Daten – mitunter Fotos oder morphologische Daten, wie die tatsächlichen Paketgewichte, müssen nachgefordert werden. Das ist die Phase der Datenanreicherung, in der beispielsweise auch Produktdatenblätter aus Fotos und anderen Elementen entstehen können, Daten in Produkttexte verwandelt werden und anschließend zur Übersetzung gehen. BTW haben Sie schonmal über die automatisierte Erstellung von Produkttexten mit ax semantics oder der retresco textengine nachgedacht? Auch dies ist Stoff für einen eigenen Beitrag.

PIM im Produktdatenfluss eines Herstellers
PIM im Produktdatenfluss eines Herstellers

PIM – Investition, die sich lohnt

Auf jeden Fall ist wichtig, alles zusammen orientiert an den Standards der Branche und den entsprechenden Zielgebieten zu haben. Selbst für den eigenen Webshop ist dies für KMUs nicht so leicht, wenn es um viele Produkte geht. Die entsprechenden Abteilungen werden häufig zu schwach besetzt und – das ist wahrscheinlich noch viel wichtiger: Die Unternehmen investieren viel lieber in sichtbare Elemente ihrer Marketing-Tätigkeit. Weshalb beim (Re-)Launch einer Website häufig SEO und Analytics wie auch die notwendigen basalen Datenstrukturen vernachlässigt werden. Dies ist ein gravierender Fehler, der sich an vielen Stellen rächt: Auch Kataloge und Broschüren müssen mit mehr Aufwand produziert werden, Standardexporte lassen sich weniger effizient abbilden und die Datenlieferung an Kunden erfolgt auch nicht optimal.

Vom Hersteller zum Händler

Was ein Hersteller an Daten produziert und im Idealfall in bester Qualität in seinem PIM vorhält, muss in die Produktdatenverwaltung des Händlers überführt werden. Dabei ist der Idealzustand meist nicht vorhanden. Hersteller sind selten in der Lage maßgeschneiderte Daten zu liefern. Ein Online-Händler im Bereich Baustoffe erzählte mir, dass er schon ganz froh sei, wenn die Produktdaten nicht als handgeschriebenes Fax beim ihm eintrudeln.

PIM im Produktdatenfluss eines Händlers
PIM im Produktdatenfluss eines Händlers

Oft übergeben Hersteller Daten aus ihrer Binnensicht mit der Prämisse „Händler, mach was daraus“. Diese Haltung ist ebenso wenig konstruktiv wie die Haltung von – nehmen wir Wayfair. Dort ist die Datenpflege derart aufwändig und vom Hersteller nur unter Qualen zu bewältigen, dass ich mich über den Erfolg der Plattform wundere. An dieser Stelle ist selbst Amazon effizienter gestrickt. Dort sind die Hersteller (aka Vendoren) höchst motiviert, weil hohe Umsätze winken. Was will ich damit sagen: Hersteller haben von der maßgeschneiderten Datenlieferung an Online-Händler eine verstärkte Listung ihrer Produkte. Je besser die Daten, um so stärker die Sichtbarkeit, desto höher die Umsätze. Also lohnt es sich, auf der Seite der Hersteller bestmögliche Daten zur Verfügung zu stellen und auf der Seite der Händler einen möglichst einfachen Zugang zur Verfügung zu stellen. Je einfacher dieser Zugang, um so mehr Produkte werden gelistet, um so höher die Sichtbarkeit des Händlers im Netz.

Sicher ist es möglich, die Daten als Excel oder CSV entgegen zu nehmen und selbst – ggf. mit Unterstützung des Herstellers – in die notwendige Form zu bringen. Je schneller das Geschäft läuft und sich die Produkte drehen, umso naheliegender sind mit API arbeitende Verfahren. Ist eine Schnittstelle erst einmal gebaut, können Produkte einfach in die eigenen Systeme übertragen werden. In einigen Branchen, in denen dies die Hersteller überfordert, gibt es Dienstleister, die Daten in die notwenige Form bringen und diese per Schnittstelle zur Verfügung stellen. Händler müssen dann „nur“ noch die zur Übertragung gewünschten Produkte auswählen.

Ist das Produkt in der kaufmännischen Software gelistet und gibt es eine eindeutige ID, dann kann der Integrations-Prozess beginnen. An dessen Anfang steht die QA. Liefert der Hersteller, was er liefern soll und passt allen in den internen Datenkontext? Auch Fragen danach, ob alle Assets in der gewünschten Form geliefert wurden, sollten gestellt werden. Möglicherweise wurden auch nur Standard-Assets geliefert und der Hersteller verfügt über ein sehr viel breiteres Programm. An dieser Stelle lohnen sich durchaus Nachfragen. Gerade wenn es sich um hochwertige Produkte handelt, werden von Händlern häufig auch eigene Fotos geschossen oder Filme gedreht. Auch dieses Material muss ins DAM. Manchmal haben Hersteller auch nicht Fotos in allen Farbvarianten vorliegen. Dann schließt sich noch ein Umfärbe-Prozess an.

Ist mit den Produktdaten alles ok, dann können diese – sofern die übrigen Rahmenbedingungen passen, z.B. wenn dieses an Lager ist oder Dropshipping funktioniert – mit wenig Aufwand auf der Website publiziert werden, es können Kataloge angefertigt werden und Schnittstellen zu Marktplätzen oder Aggregatoren bedient werden.