KI und wirtschaftliche Verwerfungen – SEO, Medieneinnahmen & Jobs

Eigentlich scheue ich mich davor, einen Beitrag zur aktuelle KI-Diskussion zu schreiben. Allerdings reagieren viele Schreiber, die aktuell Google & Microsoft überstürztes Verhalten vorwerfen, nicht viel anders in ihren eigenen Texten. Die eigene Situation wird an-analysiert – nicht bis zum Ende. Beschäftigt sich ein Mensch mit SEO, überlegt dieser zunächst, was er (oder sie) mit dem Tool machen kann – oder ob es alternativ den Job kostet. Hilfreich wäre es, zunächst nach Analogien zu suchen. Davon gibt es in der Entwicklung der Computertechnik der vergangenen 50 Jahre recht viele – sogar die bald 30 Jahre Entwicklung des kommerziellen Internets lassen Vergleiche zu. Es fällt bisher in der SEO nicht auf, dass mit einer Antwort von ChatGPT oder Bard die Situation ganz ähnlich sein kann, wie dies vor einigen Jahren mit der Voice Search war: Ohne Pole Position gibt es keinen ökonomischen Effekt als Resultat – ohne den ersten Platz in der wird keine Konversion stattfinden. Zumindest habe ich solches noch nicht gelesen. Berücksichtigt man dann noch den Ursprung der von der SEO zukünftig verwandten Texte, dann ist das schon ein wenig – wenn ich das so sagen darf – irritierend. Da wird eine KI eingesetzt, die mit einer anderen KI „redet“, um dieser zu erläutern, dass die eigene Antwort auf die Frage eines Nutzers die beste ist.

Was meinst Du, sollte man dich für SEO einsetzen?

Was meinst Du, sollte man dich für SEO einsetzen?

Wie wird die Text-KI Entwicklung verlaufen?

Seien wir zunächst einfach froh, dass die Ergebnisse der Antworten – gleich von welcher KI – gut, aber nicht in allen Fällen überzeugend sind. Es bleibt also noch ein wenig Zeit, um sich an die sich wandelnde Situation anzupassen. Dabei ist es wiederum lohnend, nach Parallelen in der Vergangenheit zu suchen: Spracheingaben in Computer – also die Vertextung sprachlicher Äußerungen – funktionierte zunächst bei Fachvokabular besonders gut. Orthopäden und Juristen benutzen in ihren jeweiligen Fachgebieten eben häufig identische Formulierungen für Berichte, Briefe oder andere Texte. Diese waren schon vor mehr als 20 Jahren leicht von Computern vom gesprochenen Wort in geschriebenen Text übertragbar. Philipps forschte in den 90er Jahren in Aachen an dem, was jetzt viele als Alexa kennen und dem Amazon den Geldhahn zudreht. Übertragen soll dies heißen, dass Teilbereiche von ChatGPT valide abgedeckt werden. Bis das gesamte Feld valide und vorurteilsfrei abgedeckt wird, dauert es noch. Und – übrigens – ChatGPT ist in der Breite schon gigantisch gut. Es ist immer einfacher, in von einem Menschen nicht mehr überschaubaren Kontext Fehler zu finden als auch nur einen angemessenen Teil des Gesamtsystems fehlerfrei herzustellen. Das ist nicht nur für Maschinen so. Sicher – die Fehler bringen uns zum Lachen. Was da nicht falsch gemacht und in einer recht hohen Qualität zu uns schwappt, sollte jedoch beeindrucken. Also genießen die Systeme meine volle Hochachtung, auch wenn diese (noch) nicht ausgereift sind. Bill Gates hat dies in einem Interview mit dem Handelsblatt ähnlich formuliert: Der aktuelle Stand der Systeme ist toll. Es ist eine Frage der QS – und diese wurde versucht, per externem Validator in das System zu integrieren: dem Nutzer Response. Worauf wir allerdings gespannt sein dürfen: Was SEOs entwickeln werden, um die Systeme zu manipulieren, d.h. was sie versprechen, an einem funktionierenden Beispiel dem Kunden zeigen werden und wie sie begründen, warum sie ihre Versprechungen nicht halten werden. ChatGPT wurde nach eigener Aussage nicht dafür entwickelt, traut sich jedoch schon einiges zu.

Woher hast Du deine Informationen?

Woher hast Du deine Informationen?

Wie KI funktioniert und wie SEOs arbeiten könnten

Im Handelsblatt wurde sehr anschaulich erklärt, wie ChatGPT funktioniert. Informationen werden gesammelt und soweit als möglich validiert. Es wird also ein möglichst großer Topf an Informationen genommen und versucht, mit möglichst validen Quellen zu arbeiten. Sprich das Vertrauen in Quellen wird ein wichtiger Indikator. Ein Artikel in Nature ist als Quelle wichtiger als ein Artikel in Wikipedia, als im Spiegel, als auf einem Blog. Was natürlich nicht heißt, dass ein Blog-Artikel nicht zur validen Quelle werden kann. ChatGPT stützte sich in der aktuell zugänglichen kostenlosen Version auf frei zugängliches Textmaterial.

Einfacher ist es übrigens, mit sehr kleinen Informationseinheiten zu arbeiten, beispielsweise den Daten, die in einem PIM vorkommen. Daraus entstehen ohne großen Aufwand mit Tools wie der Textengine von Retresco ganz wunderbare Sätze, die sich sinnvoll zu ganzen Texten fügen und noch nicht einmal als Texte einer KI erkannt werden. Wieso schließen wir also Akeneo & Co. nicht einfach direkt an OpenAI an? – Gehen wir zunächst einfach davon aus, dass dies noch dauert. Kommen wir zurück zu vertrauenswürdigen Quellen und dem, was schwieriger von Geheimdiensten zu manipulieren ist als der Algorithmus von Facebook.

Gehen wir von vertrauenswürdigen Quellen aus und einen Schritt weiter: Wenn valide Quellen wichtiger werden, wird es relevanter, Informationen, die man kommunizieren möchte, auf diesen Websites unterzubringen. Genau dies legt den Schluss nahe, dass PR im Verhältnis zur SEO wieder wichtiger wird. Es wird wichtiger werden, qualitativ hochwertige Texte zu produzieren – einfache kommen ja schon von der KI. Damit wird man nicht mehr glänzen können.

Was passiert mit den SEOs? – Bisher ist es so, dass diese technisch optimieren. Daran wird sich nicht so viel ändern. Technisch wird weiterhin optimiert werden müssen. Wie sieht es aber mit den Inhalten aus? Bisher wird viel von schlecht bezahlten Menschen verfasst – von Pennyworkern. Deren Textlieferung wird man zukünftig getrost in die Tonne treten können. Was werden Pennyworker machen? – Sie werden die KI nutzen und auf vielen Websites wird der gleiche Content stehen wie bei dem werten Wettbewerb. Es wird noch gleicher sein als bisher, weil die Zahl der brauchbaren Werkzeuge nicht sehr groß werden wird. Zumindest wird das in der nahen Zukunft so sein. Hier vertraue ich der Aussage von ChatGPT nicht. Mir erscheint es hier einen Bias zu geben, der durch den Narrativ der SEO Professionals beeinflusst ist.

Aus meiner Sicht wird sich die Suchfunktion bei Google & Co. stark verändern. Bei Bing gibt es erstes Anschauungsmaterial. Inwieweit sich das Geschäftsmodell der Keyword Anzeigen daran anpassen lässt, mag ich nicht abschätzen. Als Overture vor der Jahrtausendwende bezahlte Suchergebnisse präsentierte und Google das Modell rasch übernahm und verfeinerte, war nicht absehbar, dass dies einen derart erfolgreichen Konzern zur Folge haben würde.

10 SEOs

10 SEOs

Medieneinnahmen – ob und wie vertrauenswürdige Quellen bezahlt werden

KI braucht vertrauenswürdige Quellen. Ohne Quellen geht es nicht und diese müssen entlohnt werden. Doch hierbei gibt es eine gewisse Schwierigkeit. Durch was wird deutlich, welches die Quelle für einen bestimmten Satz ist, den die KI formuliert? – Wahrscheinlich ist es selbst der KI im Moment der Formulierung nicht mehr direkt möglich die Quelle genau zuzuordnen. Einem Satz mit einem Fußball-Ergebnis sieht man nicht an, ob die Information von der DFL, der Website eines Fußballvereins oder von Google kommt. Einige werden hier schreien, wenn es um die Verteilung von Tantiemen geht. Möglicherweise wird es Schnittstellen wie die von Pressemonitor geben, die genutzt werden – oder die Tools setzen gleich eine Ebene höher an und nutzen einen internationalen Aggregator wie Meltwater. Wahrscheinlich tun sie das schon. Als ich mich vor einigen Jahren intensiver mit Social Media Monitoring Tools beschäftigte, war der von den Tools bezogene Basis-Layer auch recht homogen. Gehen wir also davon aus, dass die OpenAIs dieser Welt bei Aggregatoren jetzt und in Zukunft bezahlen müssen und die Aggregatoren einen Teil des Geldes an produzierende Medien weitergeben müssen. Ohne wird es nicht gehen. Bertelsmann lässt über seinen Ableger RTL einen großen Teil der Printprodukte von Gruner & Jahr einstellen, dem einst so stolzen Medienhaus am Hamburger Baumwall. Das zeigt: Wird der, der Informationen sammelt und zugänglich aufbereitet, nicht ausreichend dafür bezahlt, dann muss dieser sein Geschäft einstellen. Vielleicht hat der RTL Manager Rabe auch etwas falsch verstanden. Dennoch erfordert ein funktionierendes Mediensystem eine hinreichende Finanzierung. Man stelle sich vor, welche Kosten auf unsere Gesellschaft zukommen, wenn ARD und ZDF auf die Idee kommen, ein AI-System zu entwickeln, weil dies in ihrem Bestands- und Entwicklungsauftrag läge. Aber ich schweife ab. Wenn eine AI Company Informationen verarbeitet und diese verbreitet, sollte sie natürlich dafür bezahlen. Die Frage ist, wie eine Bemessungsgrundlage herstellbar sein wird – ganz abgesehen davon, wie genau diese Company mit KI-Anwendungen Einnahmen erzielt.

Schauen wir vielleicht zunächst nochmal nach anderen Bereichen, in denen Microsoft, das ja stark an OpenAI beteiligt ist, KI einsetzen wird. Klar, man kann ein Tool wie ChatGPT einen Brief schreiben lassen. Allerdings wird der Lift dort, wo viele Briefe formuliert werden, nicht sonderlich hoch sein: Es wird mit Textbausteinen gearbeitet. Wo die KI hingegen tatsächlich schon jetzt toll ist: Die Formulierung von komplexen Formeln für Excel beherrscht ChatGPT schon gut. Hier werden sehr viel mehr Menschen in der Lage sein, die Potenziale von Excel jenseits des einfachen SVERWEIS zu nutzen. Warum sollte sich Microsoft für solche Leistungen nicht gesondert bezahlen lassen? Wo die Software ohnehin schon dicht mit dem Netz verwoben ist, liegen solche Einnahmenpotenziale nicht fern. Das Fußballergebnis ist umsonst, das kann sogar Alexa. Für ein Bewerbungsschreiben auf eine Stelle aufgrund der Stellenanzeige und dem CV aus LinkedIn könnte Microsoft schon einige Euro verlangen. Ich finde das nicht abwegig, auch wenn ich lange Anschreiben grundsätzlich für überflüssig halte.

Allerdings fehlt mir noch die Vorstellung der Einnahmengenerierung bei Google. Auffällig ist, dass immer mehr Anzeigen abseits der normalen Ergebnisliste platziert werden. Das Android-System wird hier u.a. genutzt. Sequenzielle Inhalte werden in YouTube platziert. Aber was wird mit Keyword-Anzeigen passieren? Selbst wenn wir das Rieplsche Gesetz bemühen, nach dem kein gesellschaftlich etabliertes Medium durch ein anderes vollständig ersetzt werden wird: Die Einnahmen von Keyword-Werbung im Umfeld von Ergebnislisten werden zurückgehen, auch wenn diese nicht vollständig verschwinden werden. Schauen wir in zwei bis drei Jahren nochmal auf die Zahlen – wir werden etwas genauer wissen, welche Refinanzierungsmodelle es gibt und wie sich diese entwickeln.

Bleibt noch die Frage, was mit Jobs passieren wird? – Gehen wird für den Marketing-Bereich davon aus, dass für einfache bis mittelschwere Datenanalysen zukünftig weniger Personal benötigt wird. Für Slogans oder beispielsweise Mail-Subjects spannen Maschinen schon heute einen breiteren Möglichkeitsraum auf als Menschen dies können. Hier wird der eine oder andere Job wegfallen. Im Journalismus können einfache Artikel die Maschinen schreiben, wie Retresco das schon für die DFL macht. Komplexere Aufgaben scheinen noch weniger gefährdet zu sein. Was schon geht und vielschreibende Roman-Autoren wenig erfreuen wird: Gib der Maschine einen Plot, sag ihr, welche Vorlage sie nehmen soll, welche handelnden Personen es gibt und schwupp, kommen große Teile aus dem Computer.